Aus der Praxis für euch: Benehmen ist was für Oldies?

Bitte, Danke und der ganze Benimm-Kram!

In die gleiche Richtung wie im vorigen Kapitel geht die Frage nach dem angemessenen Benehmen im Studienalltag. Auch darüber machen sich Studierende oft nur wenig Gedanken. Die meisten verhalten sich so, wie es ihnen normal erscheint, was natürlich abhängig ist von der elterlichen Erziehung, vom Umgangston in der Schule oder mit Freunden oder dem persönlichen Naturell. Da es sich bei den Lehrenden meist um Personen jenseits der Vierzig handelt, die etabliert und mit viel Erfahrung im Leben stehen, wird das studentische Verhalten von diesen auch sehr genau registriert. Unabhängig davon, wie sie sich selbst den Studierenden gegenüber verhalten, empfinden sie es meist als selbstverständlich, auf den Fluren von den Studierenden gegrüßt zu werden, um ein Gespräch gebeten zu werden oder für einen ausgestellten Schein ein Danke zu hören. Fehlen diese Höflichkeiten, wird es nicht selten als ungehobeltes Verhalten dem Lehrkörper gegenüber gewertet.

„Ich hasse es, wenn sich Studenten mit Kaugummi im Mund oder Nikotinfahne mir gegenüber wie selbstverständlich auf den Stuhl lümmeln und meinen, ich wäre so etwas wie ein Auskunftsbüro. Manche kommen sogar ohne anzuklopfen ins Zimmer und setzen sich unaufgefordert hin, selbst wenn ich gerade noch in einem Telefongespräch bin.“ (Dr. Maike V., Juniorprofessorin, 36 J.)

„Eine Studentin kam mit zehn Minuten Verspätung in meine Sprechstunde um mit mir den Inhalt ihrer schriftlichen Arbeit zu besprechen. Während ich ihr meine Ansichten dazu erläuterte, zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und fing an Nachrichten zu schreiben. Als es dann auch noch klingelte und sie ein privates Gespräch führte, war meine Geduld am Ende. Sie ging ohne sich zu entschuldigen und sich für meine Zeit zu bedanken.“ (Prof. Annemarie F., 62 J.)

Obwohl ich normalerweise ziemlich gelassen reagiere, wenn Studierende etwas lockerer im Umgang sind, habe auch ich meine Grenzen. Folgende Mail ist bei mir vor einiger Zeit eingegangen und ich wusste im ersten Moment nicht, was ich davon halten sollte:

„Moin Frau B. ich wollte nur sagen, dass ich das Referat heute nicht halten kann. Ich hatte gestern so viel Stress mit meinem Freund, dass ich nachts nicht schlafen konnte. Ich bin völlig fertig und bleibe im Bett. Hoffe das ist ok. Viele Grüße. T.“

Ich war wirklich sehr erstaunt. Nicht nur über die Fehler und die flappsige Anrede, sondern mehr noch über den Umstand, dass derart private Tatsachen genannt werden. Tatsachen, die ich gar nicht im Detail wissen will. Ein einfaches „aus gesundheitlichen Gründen muss ich leider den heutigen Referattermin absagen und bitte dies zu entschuldigen“ hätte mir völlig gereicht. Auf den Wahrheitsgehalt kann ich ohnehin keine der beiden Aussagen überprüfen. Was einerseits vielleicht umwerfend ehrlich ist, hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass man im Gedächtnis der Dozenten auf ewig mit so einer Mitteilung verbunden ist. Manchmal kommt man mit kleinen Notlügen oder allgemeineren Begründungen weiter. Entschuldigungen wie „verschlafen“, „keine Lust“, „vergessen“ oder „nicht geschafft“ mögen zwar ehrlich sein, für den Studienerfolg sind sie jedoch eher kontraproduktiv.

Macht euch bewusst, dass zwischen eurem Privatleben und euren Dozenten normalerweise keine Verbindung besteht und somit private Dinge hier nichts zu suchen haben. Mit Ausnahme von wirklich wichtigen Informationen, die unmittelbar euren Studienverlauf betreffen, wie z.B. eine schwere oder chronische Erkrankung, eine Schwangerschaft oder einen Todesfall in der Familie. Diese Probleme kann man am besten in einem Gespräch unter vier Augen erläutern. Die Dozenten mit Alltagsproblemen oder Befindlichkeiten zu nerven, kommt sehr schlecht bei diesen an und wird oft als respektlos empfunden, da eine unsichtbare Grenze damit überschritten wird.

Für die Studierenden ist der korrekte, höfliche Umgang mit den Dozenten eine gute Übung für den späteren Berufseinstieg. In vielen Business-Bereichen wird ein tadelloses Verhalten erwartet. Gerade in den höheren Hierarchien kann falsches Benehmen oft ein Karriere-Killer sein. Im Grunde unterscheidet sich die studentische Sprechstunde des Professors nicht wesentlich von einem Vorstellungsgespräch im Bewerbungsverfahren. Das man seinen Gesprächspartner ansieht und aufmerksam zuhört, sich korrekt begrüßt und verabschiedet und eine angemessene Haltung einnimmt, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Die Grundlagen des richtigen Benehmens sind euch sicherlich bekannt. Wenn ihr in manchen Situationen unsicher seid, kann es sinnvoll sein, sich doch nochmal intensiver damit zu beschäftigen. Es gibt im Internet zahlreiche Foren und Hinweise zu Knigge & Co. und ebenso Business-Knigge-Ratgeber in Buchform. Grundsätzlich seid ihr gut beraten, wenn ihr einen höflichen, korrekten Umgang mit euren Dozenten pflegt, auch wenn ihr die Person nicht besonders schätzen solltet. Dazu gehört selbstverständlich auch das Grüßen in der Mensa, das Türenaufhalten oder ein Danke für eine Gefälligkeit. Ein aufmerksames, freundliches Verhalten gegenüber den Dozenten hat für euch meist noch den positiven Nebeneffekt, dass auch sie sich euch gegenüber netter verhalten. Und in einer netten Atmosphäre werden nun mal die besseren Noten vergeben.

Höfliches Benehmen solltet ihr unbedingt auch gegenüber den Hochschulmitarbeitern zeigen, sei es gegenüber der Sekretärin eures Faches (die eine wichtige Schlüsselposition einnimmt) oder den Mitarbeitern der Unibibliothek. Auch wenn ihr von diesen Personen keine Noten zu erwarten habt, können diese Kontakte im Studium extrem wichtig werden.

„Ich war mit der Abgabe der Hausarbeit viel zu spät dran und hätte sie eigentlich schon zwei Tage eher ins Fach der Dozentin legen müssen. Ich fragte die Sekretärin unseres Instituts ganz freundlich, ob eine verspätete Abgabe wohl noch möglich wäre. Da wir eigentlich immer einen netten Kontakt hatten und uns regelmäßig auf dem Flur oder in der Mensa grüßen, erkannte sie mich sofort wieder und nahm die Arbeit ausnahmsweise noch an, da die Dozentin ohnehin noch auf Exkursion war. Das fand ich unheimlich nett, sie hätte die Annahme ja auch ablehnen können.“ (Sina K., Studentin, 19 J.)

„Ich habe nicht gedacht, dass ich im Studium so viel Zeit in der Bibliothek verbringen werde. Die Literatursuche ist echt mühsam, besonders wenn es um Aufsätze oder so geht. Meine Rettung war schon oft die Mitarbeiterin in der UB. Ohne ihre Tipps hätte ich einige wichtige Quellen nie gefunden.“ (Raphael H., Student 21 J.)

„Seit diesem Semester bin ich Hiwi bei uns im Fach. Ich bereite für einen Professor die Vorlesungen vor, baue die Technik dafür auf, damit alles fertig ist, wenn die Lehrveranstaltung losgeht. Schon ein paar Mal funktionierte der Beamer nicht oder im Raum war Stromausfall. Dann habe ich den Hausmeister für die Technik angerufen. Er ist immer sofort gekommen und hat mir geholfen. Ohne ihn wäre es für mich stressig geworden. Bestimmt liegt es auch daran, dass ich ihn immer höflich frage und mich bei ihm bedanke. Andere Hiwis finden ihn unfreundlich, was aber bestimmt daran liegt, dass sie ihn uncool finden und ihn das auch spüren lassen.“ (Maria S., Studentin, 20 J.)

Was ganz blöd ankommt, sind Studenten, die sich bei den Professoren „einschleimen“, aber ihre Kommilitonen völlig ignorieren. Wenn ihr in einen Seminarraum kommt und bereits einige Teilnehmer dort sitzen, ist es normal, dass man kurz „hallo“ sagt, ehe man sich selbst einen Platz sucht. Ansonsten kann man schnell arrogant oder eigenbrötlerisch wirken. Auch wenn ihr in der Bibliothek, im Bus oder in der Mensa andere Studierende aus euren Lehrveranstaltungen trefft, ist es nett, kurz zu grüßen. Man muss ja kein persönliches Gespräch beginnen, aber registrieren sollte man die anderen Personen schon.

„Manche Kommilitonen halten sich anscheinend für was Besseres und zeigen das permanent durch ihr Auftreten. Sie kommen immer ein bisschen später als alle anderen in die Lehrveranstaltungen, damit sie ihren perfekten Auftritt haben. Andere Studenten, die nicht so teure Klamotten anhaben und nicht so cool drauf sind, werden völlig ignoriert. Bei Gruppenarbeiten ist das besonders schlimm. Ich bin dann manchmal so eingeschüchtert, dass ich mich über mich selbst ärgere. Die Typen tun dann so, als wüssten sie sowieso schon alles und sie nur gnädigerweise den anderen Gruppenmitgliedern zur Verfügung stehen.“ (Max B., Student, 20 J.)

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