Berufsorientierungstests im Check

Den passenden Berufsweg finden

Berufsorientierungstests im Check

 

Was kann ich? Was will ich? Das sind die großen Fragen, mit denen sich jeder Schüler beschäftigt.

Diese Fragen zu beantworten versprechen zahlreiche Online-Testverfahren. Das Angebot ist umfangreich: Die Marktanalyse von Stiftung Warentest hat ca. 60 verschiedene Verfahren im Internet gefunden, die unterschiedlicher nicht sein können.

Da finden sich reine Persönlichkeitstests, die in 15 Minuten bearbeitet sind und Schüler/in Persönlichkeitsmustern zuordnen, die dann zu bestimmten Berufsgruppen passen sollen.

Oder man entdeckt Interessenstests, die wie die Persönlichkeitstests keine Testverfahren im eigentlichen Sinn sind, sondern eher Fragebögen zur Selbstbeschreibung. Durch die Bewertung der unterschiedlichsten beruflichen Tätigkeiten werden Interessenprofile abgeleitet und dazu passende Berufe benannt.

Besonders komplex und meistens auch aufwändiger in der Bearbeitung sind Eignungstests, die neben der Persönlichkeit und den Interessen auch die Kompetenzen der Testteilnehmer diagnostizieren.

 

Was ist aber nun der richtige Test für mich? Wie treffsicher sind die Ergebnisse? Wie seriös die Verfahren?

Anhand der folgenden Qualitätskriterien lassen sich Online-Testverfahren sinnvoll bewerten:

  • Information

In der Beschreibung des Tests müssen Zielgruppe und Testziele beschrieben und die Bedingungen an die Durchführung benannt werden. Einige Tests richten sich z.B. an Menschen, die sich beruflich neu orientieren wollen, andere wiederum direkt an Abiturienten.

  • Bearbeitung

Die Anwendung sollte für die Zielgruppe gut verständlich und leicht handhabbar sein.

  • Ergebnis/Vorschläge

Auch die Ergebnisse sollten für die Zielgruppe verständlich und nachvollziehbar sein.

Einige Tests identifizieren Studiengänge, die je nach Passung von Anforderung des Studiengangs zu den Merkmalen des Klienten vom System sortiert werden.

Andere, zumeist die interessenbasierten Tests, weisen nicht selten 10-50 verschiedene Berufsfelder aus, die nicht nach Bedeutung für den Interessenten gewichtet werden.

Weitere, oftmals reine Persönlichkeitstest, präsentieren nebulöse Formulierungen und überlassen die Interpretation sowie die Zuordnung zu einem Berufs- oder Studienfeld dem Klienten.

 

Wissenschaftliche Gütekriterien

Tests zur Berufsorientierung zählen zu den diagnostischen Verfahren, an die bestimmte international gültigen Gütekriterien angesetzt werden müssen:

Objektivität: Ein Testergebnis sollte nicht von der Person des Diagnostikers abhängen. Dieses Problem ist bei Online-Testungen i.d.R. nicht gegeben.

Reliabilität:Ein Testergebnis sollte nicht von zufällig auftretenden Störvariablen, wie Messfehlern, beeinträchtigt werden. Nach gängiger Diagnosepraxis sollte ein seriöses Testverfahren mindestens einen Reliabilitätskoeffizient von 0,7 ausweisen.

Validität: Ein Test sollte messen, was er zu messen vorgibt und darüber aufklären, wie die Validität des Verfahrens überprüft wurde.

Empfiehlt der Test z.B. einem extrovertierten, kommunikationsstarken, wirtschaftsinteressierten Menschen mit leicht überdurchschnittlichen analytischen Fähigkeiten eine Karriere im Marketing, so sollte der Test darüber informieren auf welcher Basis er die Passung zwischen diesen Merkmalen zum Berufsfeld Marketing ermittelt hat.

Validität ist i.d.R. bei den hier beleuchteten Verfahren nicht gegeben. Denn, so Prof. Dr. Uwe Kanning: „kaum ein Verfahren wird in der Lage sein, entsprechende Daten für hunderte von Berufsfeldern vorzulegen. Stattdessen beruft man sich auf Expertenurteile. Dazu befragt man jeweils mehrere Personen, die sich in einem bestimmten Berufsfeld sehr gut auskennen, inwieweit die verschiedenen Kompetenzen und Interessen des Testverfahrens für genau dieses Berufsfeld bedeutsam sind.“

Normierung: Ein Test sollte die einzelnen Ergebnisse und Unterergebnisse immer in Beziehung zu einer passenden größeren Personengruppe setzen.

Um z.B. beurteilen zu können, ob ein Abiturient überdurchschnittliche Fähigkeiten im Bereich des figural-räumlichen Denkens, was unteranderem für Berufsfelder im technischen, architektonischen oder medizinischen Bereich wichtig ist, sollten seine Ergebnisse mit denen anderer Abiturienten verglichen werden.

  • Kosten:Die meisten Verfahren kosten zwischen €0 und €100,-.

Aus der Vielzahl möglicher Testverfahren haben wir besonders beliebte Berufsorientierungstools ausgewählt, die wir im Folgenden vorstellen möchten:

 

 

Explorix:

EXPLORIX® ist ein wissenschaftlich entwickeltes Selbsterkundungsverfahren, das nach beruflicher (Neu)Orientierung Suchenden Informationen und Entscheidungshilfen zu Ihrer Berufswahl und Laufbahnplanung bietet.

Der amerikanische Ursprung von EXPLORIX®, Self-directed Search, wurde von Dr. John L. Holland entwickelt, dessen Theorie weltweit große Anerkennung gefunden hat.

Sie besagt, dass Personen grundsätzlich mithilfe der folgenden sechs Typen charakterisierbar sind:

  • – handwerklich-technisch (realistic – Code R)
  • – untersuchend-forschend (investigative – Code I)
  • – künstlerisch-kreativ (artistic – Code A)
  • – erziehend-pflegend (social – Code S)
  • – führend-verkaufend (enterprising – Code E)
  • – ordnend-verwaltend (conventional – Code C)

 

EXPLORIX® besteht aus vier Testabschnitten:

  • – Interesse an Tätigkeiten
  • – Selbsteinschätzung von Fähigkeiten
  • – Sympathien für Berufe
  • – Selbsteinschätzung von Eigenschaften

 

Der Test hat keine Leistungsdiagnostik, stattdessen fließt die subjektive Leistungseinschätzung des Testabsolventen in das Ergebnis ein.

Information: Zielgruppe: alle nach beruflicher (Neu)Orientierung Suchenden. Detaillierte Beschreibung von Testzielen und Bedingungen

Bearbeitung: sehr gut verständlich, kurze Bearbeitungszeit von 20 Minuten, leicht handhabbar

Ergebnis/Vorschläge:persönlicher Ergebnisreport von 13 – 16 Seiten. Ca. 10 – 30 Berufsvorschläge, die nicht nach Passung priorisiert werden. Keine Studiengänge.

Wissenschaftliche Gütekriterien: weitgehend

Kosten:€ 13,50

Link: www.explorix.de

 

SIT:

Der Studium-Interessentest der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und von ZEIT ONLINE ist ein Studienorientierungsverfahren, das vor allem Schülerinnen und Schüler bei der Studienwahl unterstützt. Nach der Beantwortung von 72 kurzen Selbsteinschätzungsfragen erhält man ein individuelles Interessenprofil und eine Liste mit konkreten Studiengängen, die zu diesem Interessenprofil passen.

Information: Zielgruppe: Studieninteressierte. Detaillierte Beschreibung von Testzielen und Bedingungen

Bearbeitung: sehr gut verständlich, kurze Bearbeitungszeit von 15 Minuten

Ergebnis/Vorschläge:persönliches Interessenprofil von ca. 5 Seiten. Des Weiteren können Studienempfehlungen abgerufen werden. Grenzt man die Auswahl z.B. über Kriterien wie „Region“ nicht stark ein, kann die Anzahl vorgeschlagener Studiengänge sehr groß und unübersichtlich sein.

Wissenschaftliche Gütekriterien: weitgehend

Kosten:kostenlos

Link: SIT

 

 

Geva Studium & Beruf:

Dieser Test umfasst einen Berufsinteressentest, eine Befragung der Teilnehmer zu Ihren Kompetenzen sowie einen leistungsdiagnostischen Teil. Er wurde in 2007 von der Stiftung Warentest mit „sehr gut“ bewertet.

Der Teilnehmer erhält ein Interessenprofil, das die Interessen fünf größeren Interessensgebieten zuordnet und mit dem Durchschnitt einer Vergleichsgruppe in Beziehung setzt. Auch die durch Selbstbeschreibung erhobenen Daten zu Schlüsselqualifikationen und zur fachlichen Begabung werden mit dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe dargestellt.

Ein leistungsdiagnostischer Part der Testung erinnert an einen Intelligenztest. Hier werden z.B. Konzentrationsfähigkeit, Allgemeinwissen oder mathematische Fähigkeiten ermittelt und mit dem Durchschnitt der Normstichprobe aber auch der eigenen Einschätzung verglichen.

Information: Zielgruppe: Interessenten mit (angestrebtem) Abitur. Detaillierte Beschreibung von Testzielen und Bedingungen

Bearbeitung: sehr gut verständlich, vergleichsweise lange Bearbeitungszeit von 150 – 180 Minuten wegen der leistungsdiagnostischen Inhalte; empfohlene Rahmenbedingungen sollten für treffsicheres Ergebnis eingehalten werden, d.h. Test nur in ungestörter, ruhiger Atmosphäre bearbeiten

Ergebnis/Vorschläge: persönlicher Ergebnisreport von ca. 24 Seiten. Ca. 14 Berufs- bzw. Studien- und Ausbildungsvorschläge, die nach % der Passung von Merkmalen des Schülers zu den Anforderungen sortiert dargestellt werden.

Wissenschaftliche Gütekriterien: weitgehend

Kosten: € 38,-

 

Link: Geva-Test

 

SET:

Das Selbsterkundungstool (SET) der Bundesagentur für Arbeit besteht aus 4 Teilen:

Der 70-minütige Fähigkeitentest erhält einen leistungsdiagnostischen Part, der sowie auch ein Intelligenztest unter Zeitdruck absolviert werden muss, und einen Part zur Selbstbeurteilung.

Der 30-minütige Soziale  Kompetenzen-Test ermittelt durch Selbstbeurteilung, z.B. wie Sie mit Stress und Konflikten umgehen, wie gut Sie Ihre Meinung durchsetzen oder wie sehr Sie bereit sind, mit anderen zusammenzuarbeiten

Der 15-minütige Interessentest ermittelt durch die Beantwortung verschiedener Fragen Ihre Interessen an verschiedenen Arbeitsweisen, Themengebieten und Fächerneigungen.

In weiteren 10 Minuten werden die berufliche Vorlieben erarbeitet.

Für ein möglichst treffsicheres Ergebnis mit Ausbildungs- und Berufsvorschlägen ist die Absolvierung des Gesamttests in ca. 125 Minuten zu empfehlen.

Information: Zielgruppe: Interessenten mit (angestrebtem) Abitur. Detaillierte Beschreibung von Testzielen und Bedingungen

Bearbeitung: sehr gut verständlich, vergleichsweise lange Bearbeitungszeit von ca. 125 Minuten wegen der leistungsdiagnostischen Inhalte, empfohlene Rahmenbedingungen sollten für treffsicheres Ergebnis eingehalten werden

Ergebnis/Vorschläge: persönlicher Ergebnisreport zu jedem der 4 Tests. Zusätzlich eine Datei mit Ausbildungs- und eine mit Studienvorschlägen, die nach % der Passung von Merkmalen des Schülers zu den Anforderungen sortiert dargestellt werden.

Insgesamt ca. 32-seitige Auswertung

Wissenschaftliche Gütekriterien: weitgehend

Kosten:kostenlos

Link: SET-Test

Fazit:

Alle 4 Testungen eignen sich, um die Suche im Rahmen des Berufsorientierungsprozesses einzugrenzen und erste Ideen von möglichen Berufsfeldern zu identifizieren.

Sie regen den Ratsuchenden zur Selbstreflexion an und liefern auf Basis der gewonnen Ergebnisse erste Orientierung in einem ansonsten unübersehbaren Feld diverser Ausbildungs- und Berufsoptionen liefern.

 

Reiner Interessentest wie der SIT oder aufwändiges Testverfahren mit Leistungsdiagnostik wie der GEVA-Test oder das Selbsterkundungstool der Agentur für Arbeit ?

Das Interesse an einem Beruf ist sicherlich kein Garant für späteren beruflichen Erfolg. Dennoch stellt es eine notwendige Bedingung dafür dar. Liegt beim Schüler eine ausgeprägte Interessenstruktur vor, lässt sich ein Interessenprofil erstellen, das mit bestimmten Berufsfeldern korrespondiert.

In verschiedenen nächsten Schritten kann z.B. durch Praktika, Expertengespräche und Informationsmaterialien exploriert werden, welches Berufsfeld am spannendsten erscheint.

Bei der Frage: „Inwieweit werde ich in der Lage sein mir die für den Beruf relevanten Kompetenzen anzueignen, bzw. stehen die für das Studium notwendigen Stärken bereit?“ kann kein Interessentest beantworten.

Sinnvoll wäre es daher im Anschluss an einen reinen Interessentest wie den SIT aber auch den nur auf Selbsteinschätzung beruhenden Explorix zu erkunden, ob die für ein bestimmtes Berufs- oder Studienfeld notwendigen Anforderungen erfüllt werden können. Das gelingt über Gespräche mit Lehrern, Eltern, Analyse der Zeugnisse und verschiedene Formen der Leistungsdiagnostik, z.B. auch durch sogenannte OSAs (OnlineSelfAssest).

Testungen, die auch leistungsdiagnostische Anteile aufweisen, wie der GEVA-Test und der SET sind darauf ausgelegt, nicht nur der Frage nach den Interessen, sondern auch der Frage nach dem Können nachzugehen. Sie stellen sozusagen ein Kombiprodukt dar.

Allerdings:

Eine Software kann niemals auf individuelle Fragestellungen des Nutzers eingehen. Einschränkungen wie Behinderungen, räumliche Gebundenheit, etc. sind in die standardisierten Systeme nicht einzupflegen.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Eignung und Interesse für einen Beruf ein wichtiges Argument bei der Berufsorientierung sind. Dennoch sollte die Entwicklung am Arbeitsmarkt auf jeden Fall zusätzlich in die Betrachtung einbezogen werden. Während verschiedene Berufsfelder vom technischen Fortschritt profitieren, fallen andere weg. Diese Informationen sind in den Systemen der Online-Testverfahren i.d.R. nicht hinterlegt.

Manche Schüler fühlen sich mit den Ergebnissen der Testungen alleingelassen: –„wie kommen die darauf, dass ich Musiktherapeut werden soll. Ich bin doch nie über eine 4 in Musik hinausgekommen!“

 

Tests ohne Beratung können auch schaden, so befürchten Experten.

Die Ergebnisse sollten daher unbedingt mit Freunden, Eltern und Lehrern besprochen werden. Oftmals ist es zusätzlich empfehlenswert, einen Studien- und Berufsberater mit Erfahrung in Testdiagnostik aber auch viel Know-How über die Veränderungen im Berufs- und Studienmarkt hinzuzuziehen.

 

In eigener Sache: Einen Workshop für Eltern zum Thema „Berufsorientierungstests“ bieten wir auf der Abi Zukunft Osnabrück 2019 am 24.8.19 an! Besuchen Sie uns auf der Messe! Stand 13. Wir freuen uns auf Sie!

 

Quellen:

Kanning, Uwe (2013) Berufsorientierungstests. In Brüggemann, Tim; Rahn, Sylvia (Hrsg.) Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch

Thomas, Joachim (2013) Fähigkeits- und Interessentests in der Studien- und Berufswahlorientierung. In Brüggemann, Tim; Rahn, Sylvia (Hrsg.) Berufsorientierung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch

Stiftung Warentest 0.7.2014 Persönlichkeitstests im Internet. Was bin ich?

Stiftung Warentest 15.3.2007: Onlinetests zur Selbsteinschätzung. Eignungstests im Netz

 

 

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